Die Definition von Common Issues im 21. Jahrhundert: Anti-Rassismus

 

Seit Jahrzehnten wird die Türkei mit allen Mitteln entlang einer Erzählung rund um die Idee „Schutz des Vaterlands“ ver-EINHEIT-licht. Die roten Linien werden bereits in den Schulen eingetrichtert und nachher in allen staatlichen Institutionen und vor allem den Medien weitergeprägt. Das Kanon lautet: „ein Land-eine Flagge-eine Nation-eine Sprache-eine Religion. Und solange hier Einigkeit herrscht, sind wir Geschwister“. Der durch eine aggressive Maskulinität geprägte Diskurs (was nicht nur eine besondere Entwicklung in der Türkei, sondern weltweit ist; Anm.) wird weiters über die unzähligen Serienreihen, die durch einen sehr wichtigen Teil der Bevölkerung tagtäglich konsumiert werden, weiter vertieft.

Nach dem Ersten „divide-et-impera“ Krieg zerfiel das Osmanische Reich, und dieser mit dem Leim des genannten Kanons erzwungene Zusammenhalt wurde gegenüber den „bedrohlichen Imperialisten des Abendlands“ stets im Rahmen einer durchgehenden Angstpolitik instrumentalisiert und es wurde ein immenser Chauvinismus genährt. Es ist dieser durch Angst projizierter Chauvinismus, der gegenwärtig jegliche Empathie und Mitgefühl gegenüber den Menschen, deren Existenzen durch die Bomben der türkischen Militärs nichtig gemacht werden, unmöglich macht und nicht nur den Krieg, sondern die ständige Kriegsbereitschaft für das stets „als bedroht empfundene Vaterland“ willkommen heißt.

Im Zusammenhang mit den Mechanismen dieser Ver-EINHEIT-lichung haben die Menschen in der Türkei Jahrzehntelang eine undifferenzierte, unreflektierte, unkritische und militaristische Bildung gekriegt, sodass ein großer Teil dieser heute unbedacht mit Rassismus jonglieren können, während ein anderer Teil bei kleinster Kritik gegenüber den – eigentlich über die Köpfe der Gesamtgesellschaft hinweg entschiedenen – invasiven Krieg in Syrien, zunächst rasch in Untersuchungshaft genommen wird.

Die Geschehnisse in der Türkei zeigen letztendlich, wie wichtig Anti-Rassismusarbeit ist, zumal wir in den letzten Tagen außerdem ZeugInnen von anti-semitischen Übergriffen in Deutschland und Österreich auch wurden. Nicht weniger kritisch ist es abermals gesehen zu haben, wie Parteien in Wahlkampfzeiten mit rassistischen Ressentiments arbeiten können, wenn‘s enger wird, sodass der Rassismus sich von rechts in die Mitte verschoben hat und weitestgehend salonfähig geworden zu sein scheint. Das muss eine Zumutung gegenüber die Errungenschaften der europäischen Grundwerte sein, die mit Blut und Schweiß erkämpft und gemeinsam beschlossen wurden.

In dem Moment, wo Menschen jegliche Empathie und Mitgefühl verlieren, können sie umso einfacher gegeneinander ausgespielt werden. Dabei wird das ewige Spiel der globalen AkteuerInnen niemals ein Ende finden, solange Menschen es nicht schaffen zu verstehen, dass es nicht unendlich lange gut gehen kann, wenn NachbarInnen und die Nächsten angegriffen werden und vor allem auf lange Sicht niemand von den Folgen unberührt bleiben kann…

Nun sehen wir wie mit geostrategischem Kalkül eine Kriegsökonomie betrieben wird und manche sich die Hände reinwaschen, zurücklehnen und den richtigen Zeitpunkt, womöglich für einen Wiederaufbau abwarten, in der sie wieder schön investieren können, neue Absatzmärkte bilden können und vieles mehr. Während andere von ihren Oval Offices aus ihre Schachzüge machen und ihre anderwertigen Vorteile sich rauszuholen beabsichtigen. Schlussendlich sind es immer die Gleichen, die um Hilfe und Rettung rufen, nämlich jene, die nicht im Besitz vom Kapital und Macht sind, jene die sich nicht nachhaltig und entschlossen organisieren und solidarisieren können…

Es gilt zu bedenken, dass im Rahmen einer entwickelten Konsum- und Verwertungsgesellschaft die Menschheit in Wirklichkeit längst systematisch vereinheitlicht ist. Das Profil eines-/-r KonsumentIn ist heute universell und unterscheiden tut sich der/die KonstumentIn in der Höhe seiner/ihrer Kaufkraft (arm und reich).

Wichtig scheint es den Durchblick zu bewahren, Bewusstsein zu entwickeln und Solidarisierungsachsen zu bilden, denn aktuell leben wir in Zeiten, in denen die bestehende Wirtschaftsweise (Neoliberalismus = Raubtierkapitalismus) immer unruhiger wird und ihre Aggression lässt sie entlang konstruierter, je nach Kalkül romantisierter und/oder problematisierter manchmal sogar kriminalisierter Zugehörigkeiten aus, sodass Ent-solidarisierung, Vereinsamung, Atomisierung, Fragmentierung und Schwächung die Folgen sind.

Die Definition von gemeinsamen Belangen (Common Issues) wie z.B. Klima, Anti-Rassismus, Anti-Krieg, faire-globale Wirtschaft etc. entlang einer gemeinsamen, neuen großen Erzählung „Mensch, Tier und Umwelt sind Zentrum politischer Handlungen“ scheint gegenwärtig wichtiger zu sein, denn je…

 

zeynemarslan

15.10.2019

 

Foto: https://www.dw.com/de/syrien-die-invasion-und-die-dschihadisten/a-50736934

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