Elke Kahr – Pressestunde ORF 2 am Sonntag, den 6. Februar 2022 – ein Resümee

 

ORF TVHEK Pressestunde: mit Elke Kahr, Bürgermeisterin von Graz, KPÖ

Sie haben eine Politikerin vor sich und kommen damit nicht klar, dass diese Frau nicht abgehoben ist, souverän wirkt, auf Augenhöhe kommuniziert und schlichtweg keine Frage unbeantwortet lässt sowie nicht um den heißen Brei herumredet, sondern sagt, was ist. Diese Politikerin ist nicht zynisch, sondern ist sie durch eine glaubhafte Menschlichkeit, Respekt und Anstand gezeichnet, was die Grazer*innen mit ihrer Wahl zur Bürgermeisterin anerkannt und ausgezeichnet haben. Stets mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und mit ruhigem Gewissen und Elan schafft es Elke Kahr auch dieses Mal auf jede Frage – auch wenn diese noch so hilflos und jegliche Intelligenz zu wünschen lassen – mit Respekt einzugehen.

Sie werden nicht müde davon – wir sind längst gelangweilt

Mehr als die Hälfte der Pressestunde wurde abermals dafür aufgebraucht, um sich die Bestätigung dafür zu holen, dass eine kommunistische Kommunalpolitikerin auch wirklich nicht darauf aus ist die Weltmacht an sich zu reißen. Die erste Frage irritiert dann um so mehr, als sie sich völlig perplex und verwundert darüber zeigen, dass sie eine kommunistische Bürgermeisterin vor sich haben, die keinen Grund dafür sieht, aus ihrer Führungsrolle eine Machtposition zu ergreifen und sich Richtung der bekannten und gewohnten Parallelwelt der abgehobenen Politikerfiguren zu bewegen beabsichtigt. Von wegen, ob ‚sie nicht zur Macht stehen wolle‘ und ‚etwas daraus machen wolle‘? Was soll sie denn aus ihrer Position machen? Was machen denn Menschen in solchen Positionen gewöhnlich? Was sind wir gewöhnt? Was kennen wir und was ist es, womit diese zwei Journalist*innen, Claudia Dannhauser (ORF) und Hubert Patterer (Kleine Zeitung) wohl nicht klarkommen mögen.

Diese Bürgermeisterin ist bemüht den Wähler*innenauftrag mit bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen und mit Respekt und Achtung vor diesen ihre Berufung zu erfüllen, nämlich ihren Job zu machen – etwas, was völliges Selbstverständnis sein sollte und heutzutage aber für viele Managerfiguren, die die Politik immer mehr zu ihrem Selbstbedienungsladen gemacht haben wohl ein ausgesprochenes Fremdwort ist.

Selbst nach Monaten – fehlende Akzeptanz vor dem Wähler*innenentscheid

Auch zwei Monate nach der Koalitionsregierungsbildung in Graz zeigen sich beide Journalist*innen „schockiert“ darüber, dass es die KPÖ in das Bürgermeister*innenamt geschafft hat? Und sie sind besorgt über die Priorisierung sozialpolitischer Themenfelder dieser Bürgermeisterin? Sie machen sich sorgen darüber, dass die Akteur*innen der Wirtschaft jetzt nicht mehr an erster Stelle bevorzugt behandelt werden und sich um Termine bemühen müssen, die sie nicht immer gleich auf Anhieb mehr kriegen? Beide möchten dieser Bürgermeisterin klar machen, dass sie jetzt keine „Sozialarbeiterin“ oder keine „Sprechstundenpolitikerin“ mehr ist, sondern „Managerin der Stadt“? Wie ist denn eine Managerin einer Stadt? Eine Managerin, die Euro 14.000.- an Gehalt kriegt und dann jeglichen Realitätsbezug verliert, irgendwann korrupt wird und Postenschacherspielchen treibt, einen sicheren Selbstentfremdungsprozess durchläuft und am Ende keine Achtung und keinen Respekt mehr vor dem Demos hat? Nämlich das, was etablierte, abgehobene, Postenschacherpolitmanagerfiguren seit Jahrzehnten mit uns machen? Sind unser Denken und unsere Seelen und unsere Menschlichkeit denn mittlerweile dermaßen misshandelt und penetriert, dass wir vor menschlich agierenden und mit der Wähler*innenschaft auf Augenhöhe kommunizierenden Politiker*innen irritiert sind und ihnen unterstellen möchten, dass sie „Caritas spielen, um sich Stimmen zu kaufen“? Ist es denn nicht besser, dass sie – so zynisch und respektlos wie diese beiden Journalist*innen es formuliert haben – „Caritas spielt“ und „sich Stimmen kauft“ als diese mit Steuergeldern bezahlten manipulierten Umfrageergebnissen ergattert? Außerdem, wie absurd ist denn die Infragestellung, dass menschennahe, anständige, fürsorgliche und solidarische Politik mit Wähler*innenstimmen belohnt wird? Verblendet und verblödet durch einen korrupte, hetzerischen und manipulativen, Buberlpartie-Zynismus, scheint eine andere Art von Politik mittlerweile oder hoffentlich nur vorübergehend unvorstellbar geworden zu sein. 

Kommunalpolitische Meinung zu geopolitischen Entwicklungen?

Mehr als die Hälfte des Programms haben sie ihre Angst vor dem sog. kommunistischen Gespenst zu überwinden gesucht. Sie haben eine Kommunalpolitikerin über ihre ideologische Einstellung zu geopolitischen Entwicklungen befragt und das stets mit der Begründung, dass die „Menschen Angst vor -eben einer kommunistischen Kommunalpolitikerin hätten“. Angst vor einer fairen, korrekten und integren Kommunalpolitikerin, der die Grazer Bevölkerung seit über dreißig Jahren Vertrauen schenkt? Ist das denn nicht gleichzeitig eine Infragestellung eines Wahlergebnisses bzw. der Entscheidung der Grazer Wähler*innenschaft?

Dass die NATO-Staaten ihre Aufrüstung in den letzten zehn Jahren um mehr als hundert Prozent erhöht haben; dass die globalen Akteur*innenstaaten insb. wg. Rohstoffen und anderen Ressourcen Kriegshetze betreiben, vor dem nur die wenigsten fragen, in wessen Beauftragung und wessen Interessen sie das denn überhaupt machen; dass in einem neoliberalen Diskurs trotz Pandemie die reichsten Konzerne der Welt ihren Reichtum unaufhörlich weiter vervielfachen konnten, während die Massen immer mehr vor bedrohlichen existenziellen Sorgen stehen und ihre Zukunft angesichts korrupter Politikwelten immer mehr in Ungewissheit abdriftet; sind alles Punkte, die durch Elke Kahr in kurzer Zeit nur erwähnt werden konnte, scheinen für die beiden Journalist*innen, die eindeutig voreingenommen und vorurteilhaft in die Pressestunde gekommen sind, allerdings keinen Sinn zu haben. Mit einer Politikerin, die sich eine sozialgerechte Welt, Frieden, Gleichberechtigung und Chancengleichheit sowie Zusammenhalt und Verteilungsgerechtigkeit wünscht, scheinen diese beiden Journalist*innen wohl nichts anfangen zu können und unterstellen ihr unverschämt: „Kalkül“, „Zielgruppen-Marketing“ und, dass sie ihre „Ideologie geschickt verbirgt“.  Auch die Antwort Elke Kahrs, auf die Frage bzgl. der Situation zwischen Russland und Ukraine, dass es hier wichtig ist, sich an die verfassungsrechtlich definierte Neutralität Österreichs zu halten; dass Österreich kein NATO-Mitglied ist und höchstens eine „vermittelnde“ und „keine zündelnde“ Rolle einnehmen sollte, scheint an den beiden Fragesteller*innen unberührt vorbei zu gehen. Sie sind darauf angepicht durchgehend suggestiv wissen zu wollen, „auf welcher Seite“ die Grazer Bürgermeisterin in dieser Frage denn jetzt steht. Ihre Argumentation für Friedenspolitik und Aufrüstungsstopp scheint den beiden leider nicht weiterzuhelfen.

Heute die Frage aller Fragen: Vertrauen in die Politik

Im nächsten Teil ihres Fragekatalogs kommen die Journalist*innen, Dannhauser und Patterer auf die Pandemie zu sprechen. Hier driftet die Diskussion wie erwartet in die Vertrauensfrage in die Politik ab. Weitere Suggestivfragen bzgl. Impfflicht beantwortet Elke Kahr damit, dass es wichtig ist, die zu Recht besorgten und verängstigten Menschen, ausgiebig zu informieren und für sie Überzeugungsarbeit zu leisten und zwar in einer Weise, dass die Menschen das auch annehmen können. Auch das ist ein diametral anderer Zugang als jene der Etablierten, die seit geraumer Zeit eine infantilisierende und paternalistische Kommunikationsstrategie durchziehen, die es zu verantworten hat, dass sich Gräben in unserer Gesellschaft aufmachen und Vertrauen in die Politik verletzt. Dabei ist diese Vertrauensverlust-Frage definitiv nicht in Richtung Elke Kahr zu stellen, die im Gegenteil zu den Etablierten über Jahrzehnte mit ihrem Team das völlige Vertrauen der Grazer*innen gewonnen hat. Der Vertrauensverlust ist nämlich in Richtung einer neoliberal-bürgerlichen Politik bestimmt, die versucht die Gesellschaft in „Geimpfte“ und „Ungeimpfte“ zu unterteilen und uneinsichtig Mitmenschen kriminalisieren möchte.

Nicht zuletzt schaffen es Dannhauser und Patterer sich noch einmal zu übertreffen, indem sie einer erst seit zwei Monaten amtierenden Koalitionsregierung zu unterstellen suchen, dass sie ihr Wahlversprechen „Gratiskindergärten“ nicht eingehalten hat. Ihre journalistische Glanzleistung einer Bürgermeisterin, die ihr Amt dem Vertrauen der Wähler*innen für ihre korrekte, aufrichtige und anständige, Menschen-nahe Politik verdankt und sich als Beauftragte im Dienste der Grazer*innen sieht, und einen sehr großen Teil ihres Politiker*innengehalts in einen Sozialfonds steckt, irgendwelche Fragen zu Sideletters und Postenschacher zu stellen, gehört mit Sicherheit Preis gekrönt.

Erst zum Ende der Sendung kann Elke Kahr einen Eindruck über die bisher, nämlich die innerhalb von zwei Monaten geleisteten Arbeiten vermitteln: die jährlichen Gebührenanhebung für die Tarife bei Kanal und Müll wurden heuer ausgelassen; die Sozial-card kann jetzt unbürokratischer errungen werden; der Energiekostenzuschuss wurde erhöht; der Graz-Hilfsfonds aufgestockt. Während sich Patterer über die Einhaltung der Spielregeln der freien Marktwirtschaft besorgt zeigt, weist Kahr daraufhin, dass es weltweit Modelle und Projekte gibt, die z.B. die ständigen Mieterhöhungen deckeln und entgegen der Überteuerungen und Privatisierungen in vielen sozialen Bereichen vieles wieder mehr unter die öffentliche Obhut bringen möchten, um auch die Menschen wieder mehr zu unterstützen. Damit skizziert Kahr die Vision der Grazer Stadtpolitik für die zukünftigen und weiteren Arbeiten, die zunächst vielversprechend wirken und erste Neugier erwecken.

Danke ORF für diesen wichtigen Beitrag!

Dannhauser und Patterer haben eines klar gemacht, nämlich auf welcher Seite sie (!) in Wirklichkeit stehen und in wessen Namen sie (!) ihre Fragen stellen – sie stehen auf der Seite des Großkapitals, der Reichen, der Etablierten, der Entscheidungsträger*innen der bestehenden Diskurse und besorgt sind sie deswegen, weil sie eine Frau vor sich haben, die offen auf der Seite der berufstätigen und werktätigen Menschen, der Alleinerzieher*innen, der Pensionist*innen, der Migrant*innen und allen, die den größten Beitrag in die Wertschöpfung leisten, steht.

Sie haben gezeigt, wie der Mainstream-Journalismus funktioniert. Die Sorge dieser beiden Journalist*innen ist wohl berechtigt, wenn sie eine Entwicklung vorahnen, in der der Pöbel wieder seine kritischen Stimmen zu erheben droht, mehr Mitsprache und sich vor allem Respekt und Anstand zu fordern anschickt. Für diese Klarstellung vor der Allgemeinheit, hat diese Pressestunde an diesem Sonntag in jedem Fall gepunktet. Toll gemacht! 

 

Zeynem Arslan

06.02.2022

 

 

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